
Ende letzten Jahres gab es kein Vorbeikommen an Yvonne Catterfeld. An Bus- und U-Bahnhaltestellen, in Talkshows und Werbetrailern, in der seriösen Presse wie auf dem Boulevard – überall war Yvonne Catterfeld präsent, der Star aus der Romantik-Serie "Braut wider Willen". Darin ließ die ARD den alten Sissi-Traum um das Jahr 1860 herum wiederaufleben, und Yvonne Catterfeld bezauberte mit luftiger Lockenpracht und ra-schelnden Reifröcken, so wie es einst Romy Schneider in der Agfacolor-Trilogie der Fünf-ziger Jahre tat. Doch Yvonne Catterfeld auf diese eine Rolle zu reduzieren, wäre töricht. Die 1979 im thüringischen Erfurt geborene Künstlerin ist in aller erster Linie Musikerin. Es begann alles mit dem Studium für Jazz- und Popularmusik in Leipzig und somit ist verständlich, dass Sie nach monatelangen Dreharbeiten sofort wieder mit Musikern zusammen kam um ihre Energien und Fähigkeiten auf ein neues Album zu fokussieren.
Nun, im Herbst 2006, ist Yvonne Catterfeld zurück in der öffentlichen Wahrnehmung. "Back to music" heißt ihre Devise – und "Aura" ihr viertes Album. Sie hat sich für diesen musikalischen Mix aus Soul und R & B, aus Balladen und clubtauglichen Beats, aus Lie-besschwüren und Powersongs so viel Zeit gelassen wie noch nie. Und das ist den sorgfältig ausgewählten Titeln auf "Aura" auch anzuhören. Monatelang zog Yvonne Catterfeld durch Studios in Los Angeles, Hamburg, Berlin, Köln und Hannover. Sie versammelte exzellente Musiker um sich, um mit ihnen zu jammen und zu experimentieren – oder, wie sie sagt, "einfach rumzuspinnen" und sich auch mal von einem Maurice-Ravel-Thema inspirieren zu lassen. Mit Walter Afanasieff, der Produzentenlegende aus Amerika, die Mariah Carey, Whitney Houston und Celine Dion zu Vokalstars reifen ließ, verbrachte Yvonne Catterfeld mehrere arbeitsreiche Tage in L.A. und Berlin. Mit Eric Benét, dem früheren Ehemann von Hollywood-Schauspielerin Halle Berry, probierte sie erstmals in ihrer Karriere ein Duett ("Where does the love go"). Mit ihm Team waren Musikgrößen wie Oja Tunes, Mousse T., Max Herre, Lukas Hilbert oder Laith al Deen. In dieser kreativen Atmosphäre erspürte Yvonne Catterfeld seelische Zustände jeder Art – eben die Aura des Albums.
Ein kluger Kopf hat einmal gesagt: Wer nicht selbst denkt, für den wird gedacht; wer nicht selbst entscheidet, über den wird entschieden; wer nicht selbst handelt, der wird behandelt – Yvonne Catterfeld hat gedacht, entschieden, gehandelt. In "Aura" vereint sich die Sängerin Catterfeld mit der Musikerin Catterfeld: "Nur singen, das reicht mir nicht mehr", sagt sie. Fast alle Songs sind von ihr diesmal mit getextet und mit komponiert – als hätte sich ein Ventil geöffnet für lange Jahre Angestautes. "Die Songs spiegeln mich. Sie sind 100 Prozent ich." Und: "Wer das Album kennt, der kennt auch mich."
Man hört auf "Aura" eine selbstbewusste, selbstbestimmte junge Frau, die – auch persönliche – Liebes- und Lebenskrisen offensiv verarbeitet. Die selbstkritisch mit sich zu Gericht geht. Die sich der Verantwortung stellt und nicht mehr hinter anderen Menschen versteckt. Die nicht mehr bereit ist, um jeden Preis Kompromisse einzugehen. Und die neu gefassten Mut weitergibt: Mensch, pack’s an! In "Hier bin ich", einem der wichtigsten Titel, ja ein "Befreiungssong" für Yvonne Catterfeld, singt sie mit souliger Stimme: "Sieh mich an wie stark ich bin … ich vertrau’ mir mehr als je zuvor." Und in dem ebenso auf Sturm und Drang ausgerichteten "Die Zeit ist reif" heißt es: "Diesmal sag’ ich, was ich will, ich entscheide, ich hab’ die Wahl."
Kaum zu glauben, dass diese starke Yvonne Catterfeld einmal "ein introvertiertes, ver-schüchtertes Wesen" gewesen sein soll, wie sie sich selbst beschreibt. Schon mit elf Jah-ren schrieb die Tochter einer Realschullehrerin Gedichte und tauschte mit ihren Freundin-nen zwanzigseitige Briefe aus, in denen sie über die kleinen und großen Dinge im Leben philosophierte. Die kleine Yvonne malte, tanzte und sang – zu den Michael-Jackson-Platten ihrer Eltern zum Beispiel. "Mein Vater und meine Mutter haben mich kreativ werden lassen", sagt Yvonne Catterfeld. Mit 15 Jahren ging sie in Erfurt zur Musikschule, nahm Gesangsunterricht, lernte Klavier und Gitarre und sammelte erste Bühnenerfahrung mit verschiedenen Bands. Um das Taschengeld aufzubessern, kellnerte sie nebenbei und zapfte Bier in den Hallen, die sie einmal selbst mit ihrer Musik füllen würde. Ihr Musikleh-rer, sagt Yvonne Catterfeld, habe sie angetrieben: "So eine Stimme lässt man nicht brach liegen." Also machte die Einserabiturientin die Aufnahmeprüfung an der renommierten Musikhochschule in Leipzig – und wurde angenommen. Zwei Jahre studierte Yvonne Cat-terfeld Jazz- und Popularmusik im Hauptfach Gesang – weil sie mehr wissen wollte über Musik. Die Eltern waren allerdings zunächst dagegen. Die Tochter sollte lieber was Bo-denständiges lernen, Bankkauffrau. Der Mutter zuliebe traf sich Yvonne Catterfeld einmal sogar mit einem Berufsberater. Doch die elterlichen Sorgen wischte ein summa cum lau-de im Vordiplom schnell weg.
Sieben Songs veröffentlichte Yvonne Catterfeld während des Studiums unter dem Na-men KIV; sie fanden jedoch noch kein Gehör beim Massenpublikum. Panikrocker Udo Lindenberg fiel jedoch die junge Blonde auf – er engagierte sie als Sängerin für sein Al-bum "Atlantic Affairs". Talentscouts hatten bereits zuvor bei einer Castingshow des Mittel-deutschen Rundfunks in der Gesangsstudentin eine makellose "Stimme 2000" erkannt – Yvonne Catterfeld holte den zweiten Platz und den ersten Plattenvertrag, bei BMG. "Bum", so der Titel der Debütsingle, fehlte zwar noch der richtige Bums; die "All Saints"-Coverversion schaffte es nicht in die Charts. Doch Yvonne Catterfeld wäre nicht Yvonne Catterfeld, hätte sie sich bloß darauf verlassen, dass man von heute auf morgen reich, berühmt und begehrt werden kann. "Ich mache alles mit Liebe, Fleiß und Disziplin", sagt die Künstlerin. Und: "Ich will durch Leistung überzeugen." Das klingt fast altmodisch in ihrer Branche, und mehr ehrlich als berechnend – Kritiker haben ihre Stimme und ihr Handwerk jedenfalls überzeugt. Die Methode Catterfeld ist eben weder Zufall noch Unfall der Populärkultur.
Das Nachwuchstalent arbeitete also weiter hart für ihren Erfolg. Von 2002 an erspielte sie sich drei Jahre lang als Julia Blum große Popularität in der RTL-Soap "Gute Zeiten, schlechte Zeiten". In dieser Zeit nahm sich Erfolgsproduzent Dieter Bohlen ihrer an. Der "Pop-Titan aus Tötensen" (Bild) produzierte für Yvonne Catterfeld die Ballade "Für Dich" (2003) – es war der Durchbruch im Musikgeschäft. Ein Jahr später folgte mit "Du hast mein Herz gebrochen" der nächste Nummer-Eins-Hit. Die beiden Alben "Meine Welt" und "Farben meiner Welt" bekamen Platin. Xavier Naidoo oder Eurythmics-Gitarrist Dave Ste-wart arbeiteten mit ihr. Zuletzt, im März 2005, erschien Yvonne Catterfelds Gold-Album "Unterwegs". Zwischendurch bekam Yvonne Catterfeld die begehrtesten deutschen Aus-zeichnungen wie "ECHO", "Bambi" und die "Goldene Stimmgabel" verliehen.
Sie hat geschafft, sich vom singenden Soap-Star zur reifen Sängerin zu entwickeln. Schauspielerei ist für sie genauso wichtig und Charakterrollen warten auf Sie: eine Haupt-rolle in einem RTL-Film für die Prime Time steht an sowie eine Episodenrolle in einer An-waltserie. "Aura" wird nicht das letzte Album der Yvonne Catterfeld sein. "Das ist noch lange nicht alles, was man von mir gehört hat", sagt sie. Und darauf ist Verlass. Denn das Erreichte ist für Yvonne Catterfeld noch lange nicht das Erreichbare.